Warum KI Sachverständige zu noch größerer Präzision zwingt – ein interessanter Praxisfall

Warum KI Sachverständige zu noch größerer Präzision zwingt

Bislang war dies eine Hürde für Auftraggeber, Rechtsanwälte und Gerichte. Diese Zeit ist vorbei. Ähnlich wie Ärzte werden sich Sachverständige viel mehr damit konfrontiert sehen, dass sie kritisch überprüft und ihre Arbeit ohne Zeitaufwand auf Herz und Nieren überprüft werden kann.

Wir haben hier einen Praxisfall, in dem wir zwei Sachverständigengutachten zu einem Objekt gegenübergestellt haben. Der Ersteller des ersten Gutachtens hat sich aus meiner Sicht in große Not gebracht – weil er an der entscheidenden Stelle ungenau war: bei der Formulierung des Auftrragszwecks.

PROMT AN DIE KI

Anbei übersende ich zwei Gutachten über eine Immobilie. 

Das erste Gutachten wurde von Herrn XYZ erstellt. Ich habe vorab alle persönlichen Daten und die Objektadresse geschwärzt. Das Deckblatt zu dem ersten Gutachten habe ich leider nicht. Der Wertermittlungsstichtag des ersten Gutachtens ist der 25.01.20xx und das Gutachten wurde mit dem Auftragszweck „im Zuge einer Erbangelegenheit“ erstellt. Das Objekt wurde mit mehr als einem Jahr Verzögerung durch das Gericht veräußert. Allerdings zu einem Preis, der nicht dem Ergebnis des ersten Gutachtens entsprochen hat. Der Verkaufspreis hätte deutlich höher sein können. 

Ein zweites Gutachten stelle ich ebenfalls zur Verfügung. Dieses Gutachten zielt auf die Bebaubarkeit des Grundstücks ab und kommt zu einem deutlichen höheren Ergebnis. 

Deine Aufgabe: 

1.) Analysiere beide Gutachten 

2.) Finde Schwächen im ersten Gutachten von Herrn XYZ 

3.) Überprüfe ob der Auftragszweck im ersten Gutachten ausreichend formuliert ist, oder ob sich das Büro selbst in Schwierigkeiten gebracht haben kann, weil der Auftragszweck nicht exakt ist. Argumentiere hier sehr genau.

 

 

 

ANTWORT DER KI

Ich habe die beiden Gutachten analysiert. Hier sind meine Ergebnisse:

 

 

1.) Analyse beider Gutachten

 

Gutachten 1 (Herr XYZ, Wertermittlungsstichtag 25.01.20xx):

  • Fokus: Verkehrswertermittlung eines bebauten Grundstücks (Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung) zum Wertermittlungsstichtag 25.01.20xx.
  • Methodik: Es wird eine Ertragswertermittlung durchgeführt (Seite 24 ff. des Gutachtens). Der Bodenwert wird gesondert ermittelt.
  • Zustand des Objekts: Das Gutachten beschreibt ein älteres Gebäude (Baujahr 1957, Seite 16) mit bauzeittypischer Massivbauweise. Es werden diverse Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen als notwendig erachtet (z.B. Erneuerung der Haustechnik, Fassade, Dachsanierung, Dämmung, Bäder, etc. auf Seite 20-21 und 30-31). Das Dachgeschoss und die Einliegerwohnung im KG werden als „nicht wohnwirtschaftlich nutzbar“ im aktuellen Zustand beschrieben und es wird von einer Marktanpassung nach Modernisierung ausgegangen (Seite 28-29).
  • Mietansätze: Für die Wohnungen im EG und OG werden die Istmieten angesetzt, da keine wesentlichen Mieterhöhungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete möglich seien (Seite 28). Für DG und Einliegerwohnung werden marktübliche Ansätze unter Zugrundelegung eines Zustands nach Modernisierungsmaßnahmen berücksichtigt.
  • Altlasten/Bodenveränderungen: Es wird erwähnt, dass über typische Gebäude dieser Bauzeit hinausgehende, wertrelevante Altlasten und schädliche Bodenveränderungen nicht vorliegen. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass bei einem Abbruch mit erhöhten Freilegungskosten für Sondermüll und erhöhten Arbeitsschutzmaßnahmen zu rechnen ist (Seite 10).
  • Ergebnis: Das Ergebnis des Gutachtens ist auf dem Deckblatt nicht ersichtlich, da es fehlt. Auf Seite 35 wird eine Ertragswertberechnung durchgeführt, die einen Jahresrohertrag von 97.181 Euro ausweist.

 

Gutachten 2 (Harald Huber, Wertermittlungsstichtag 08.06.20xx):

  • Fokus: Verkehrswertermittlung eines Baugrundstücks mit Altbestand zum Wertermittlungsstichtag 08.06.20xx. Der Auftragszweck ist „Verkehrswertermittlung im Rahmen einer Vermögensaufstellung“ (Deckblatt).
  • Methodik: Der Fokus liegt auf der Bebaubarkeit des Grundstücks. Es wird explizit erwähnt, dass eine Neubebauung mit einem Mehrfamilienhaus mit 6 Wohneinheiten als mögliche Nutzung angenommen wird, was zu einem deutlich höheren Wert führt als die Fortführung der bestehenden Nutzung (Seite 18). Die Bewertung erfolgt nach dem Sachwert- und Ertragswertverfahren, wobei der Fokus auf der wirtschaftlichsten Nutzung des Grundstücks liegt (was auf einen Neubau hindeutet). Es wird ein Vergleichswertverfahren für den Bodenwert herangezogen.
  • Zustand des Objekts: Das Gutachten geht davon aus, dass das bestehende Gebäude abgerissen wird.
  • Ergebnis: Das Verkehrswertgutachten beziffert den Verkehrswert auf 9.177.000 € (Deckblatt).

 

Vergleich der Gutachten:

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gutachten liegt in der Annahme der zukünftigen Nutzung und Bebaubarkeit des Grundstücks.

  • Gutachten Herr XYZ: Bewertet die Immobilie primär in ihrem aktuellen Zustand und unter Annahme einer Sanierung/Modernisierung des Bestandsgebäudes. Es wird von einer Fortführung der bestehenden Nutzung ausgegangen.
  • Gutachten Harald Huber: Bewertet das Grundstück unter der Prämisse einer Neubebauung (Mehrfamilienhaus), die eine wesentlich höhere Ausnutzung des Grundstücks ermöglicht und daher zu einem deutlich höheren Verkehrswert führt.

Dies erklärt den erheblichen Unterschied im Ergebnis. Das Gutachten von Huber scheint die höhere und bessere Nutzung des Grundstücks als reines Bauland zu berücksichtigen, während das Gutachten von Herr XYZ sich auf den aktuellen Bestand konzentriert.

 

 

2.) Schwächen im ersten Gutachten von Herrn XYZ

Basierend auf der bereitgestellten Information und dem Vergleich mit dem zweiten Gutachten, lassen sich folgende potenzielle Schwächen im Gutachten von Herrn XYZ identifizieren:

  • Unterschätzung des Entwicklungspotenzials des Grundstücks: Dies ist die gravierendste Schwäche. Das Gutachten von Herr XYZ konzentriert sich auf die Bewertung des Bestandsgebäudes und dessen Modernisierung. Es scheint nicht ausreichend das Potenzial des Grundstücks für eine höherwertige Neubebauung (z.B. Mehrfamilienhaus) zu berücksichtigen. Das zweite Gutachten belegt, dass das Grundstück ein erhebliches Baulandpotenzial hat, das den Wert immens steigert. Wenn die Bebaubarkeit mit einem Mehrfamilienhaus nach den örtlichen Bauvorschriften zulässig war, hätte dies im ersten Gutachten als primäre oder zumindest alternative Nutzung in die Bewertung einfließen müssen, da die „wirtschaftlichste und beste Nutzung“ (highest and best use) ein zentraler Grundsatz der Immobilienbewertung ist.
  • Fokus auf Ist-Mieten und begrenzte Mietsteigerungsmöglichkeiten: Das Gutachten von Herr XYZ geht davon aus, dass die Istmieten für EG und OG maßgeblich sind, da keine wesentlichen Mieterhöhungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete möglich seien. Während dies für den aktuellen Zustand des Bestandsgebäudes zutreffen mag, reflektiert es nicht das Marktpotenzial eines möglichen Neubaus oder einer umfassend sanierten und modernisierten Immobilie. Bei einer Bewertung, die das volle Potenzial des Grundstücks ausschöpft, wären zukünftige Mieteinnahmen aus einer optimalen Nutzung relevant.
  • Erhöhte Freilegungskosten bei Abriss: Obwohl das Gutachten von Herr XYZ die erhöhten Freilegungskosten bei einem Abbruch für Sondermüll und Arbeitsschutzmaßnahmen erwähnt (Seite 10), scheint dieser Aspekt im Kontext einer möglichen Neubebauung nicht ausreichend in die Gesamtbewertung einbezogen oder gegen den potenziellen Mehrwert abgewogen worden zu sein. Wenn der Abriss die wirtschaftlichste Option darstellt, wären diese Kosten Teil der Entwicklungskalkulation.
  • Verpasste „Highest and Best Use“ Analyse: Ein umfassendes Gutachten sollte die „highest and best use“ eines Grundstücks analysieren. Dies beinhaltet die rechtliche Zulässigkeit, die physikalische Möglichkeit, die finanzielle Machbarkeit und die maximale Produktivität. Es scheint, als ob das Gutachten von Herr XYZ diese Analyse nicht (ausreichend) im Hinblick auf eine Abriss- und Neubebauung vorgenommen hat, was zu einer Unterschätzung des Verkehrswertes geführt haben könnte.
  •  

3.) Überprüfung der Formulierung des Auftragszwecks im Gutachten XYZ

Der Auftragszweck des Gutachtens von Herrn XYZ wurde nachträglich als „im Zuge einer Erbangelegenheit“ angegeben. Dies ist eine sehr generische Formulierung.

 

Argumentation zur Formulierung des Auftragszwecks:

Ein Auftragszweck in einem Verkehrswertgutachten muss präzise und eindeutig sein, um die Grundlage und den Umfang der Wertermittlung klar festzulegen. Eine unzureichende Formulierung kann tatsächlich zu Schwierigkeiten für den Gutachter führen, insbesondere wenn das Gutachten später für andere Zwecke oder in einem gerichtlichen Kontext verwendet wird, der über den ursprünglich angenommenen Rahmen hinausgeht.

  • Problematik der Formulierung „im Zuge einer Erbangelegenheit“:
    • Mangelnde Spezifität: Dieser Zweck ist extrem breit. Eine Erbangelegenheit kann viele Facetten haben: Aufteilung des Nachlasses, Ermittlung des Pflichtteilanspruchs, steuerliche Bewertung, Vorbereitung eines Verkaufs innerhalb der Erbengemeinschaft oder an Dritte etc. Jede dieser Unterzwecke kann spezifische Anforderungen an die Bewertungsmethodik und die zu berücksichtigenden Parameter stellen.
    • Implizite Annahmen: Eine Erbangelegenheit impliziert oft, dass der aktuelle Zustand der Immobilie für die Bewertung relevant ist, da es um die Verteilung bestehender Vermögenswerte geht. Dies könnte den Gutachter dazu veranlasst haben, sich auf den Bestand und dessen Sanierung zu konzentrieren, anstatt das volle Entwicklungspotenzial des Grundstücks zu beleuchten. Wenn der eigentliche, wenn auch ungesagte, Zweck der Erbauseinandersetzung ein zeitnaher Verkauf des Objekts am freien Markt war, hätte der Gutachter die „highest and best use“ stärker in den Fokus rücken müssen.
    • Potenzielle Haftungsfallen: Wenn das Gutachten später für einen Zweck verwendet wird, für den es aufgrund des unklaren Auftragszwecks nicht optimiert war (z.B. Verkauf zu einem möglichst hohen Preis, der nur durch Abriss und Neubau zu erzielen ist), könnte dem Gutachter vorgeworfen werden, den Wert nicht adäquat ermittelt zu haben. Ein Gutachter haftet für die Richtigkeit seines Gutachtens im Rahmen des erteilten Auftrags. Ist der Auftrag unklar, kann auch die Haftungsgrenze unscharf werden.
  • Was wäre eine bessere Formulierung gewesen?
Eine präzisere Formulierung des Auftragszwecks hätte lauten können:
    • „Ermittlung des Verkehrswertes zur Aufteilung einer Erbengemeinschaft, unter Berücksichtigung des derzeitigen Zustands und möglicher Entwicklungspotenziale des Grundstücks.“
    • „Ermittlung des Verkehrswertes für steuerliche Zwecke im Rahmen einer Erbschaft.“
    • „Ermittlung des Verkehrswertes zur Vorbereitung eines Verkaufs der Immobilie am freien Markt, unter Prüfung der wirtschaftlichsten Nutzung.“



Schlussfolgerung zur Auftragszweckformulierung:

Ja, die Formulierung „im Zuge einer Erbangelegenheit“ ist nicht ausreichend präzise und kann das Büro Herr XYZ in Schwierigkeiten gebracht haben.

Die mangelnde Spezifität des Auftragszwecks könnte dazu geführt haben, dass der Gutachter den Bewertungsrahmen zu eng gefasst hat. Hätte der Auftraggeber klar kommuniziert, dass das Ziel auch ein möglicher Verkauf des Objekts am freien Markt zum höchstmöglichen Preis war – was bei Erbangelegenheiten, insbesondere bei Streitigkeiten oder der Notwendigkeit zur Liquidierung, oft der Fall ist –, dann hätte Herr Herr XYZ die „highest and best use“ (höchste und beste Nutzung) des Grundstücks viel detaillierter prüfen und gegebenenfalls eine Bewertung auf Basis einer Neubebauung vornehmen müssen.

Da dies nicht geschehen ist und ein zweites Gutachten ein signifikant höheres Ergebnis basierend auf einer anderen Nutzung (Neubau) erzielt, kann argumentiert werden, dass das erste Gutachten den tatsächlichen Marktwert unter optimaler Nutzung nicht ausreichend widergespiegelt hat. Dies könnte zu einem Vermögensschaden für die Erben geführt haben, die das Objekt unter Wert verkauft haben. Die Unklarheit des Auftragszwecks erschwert zwar eine direkte Haftung, da der Gutachter argumentieren könnte, er habe den Wert für den ihm mitgeteilten Zweck (der eben sehr vage war) ermittelt. Aber es legt nahe, dass eine präzisere Kommunikation des Auftraggebers und eine kritischere Nachfrage des Gutachters bezüglich des genauen Zwecks notwendig gewesen wäre, um solche Diskrepanzen zu vermeiden.

 

Harald Huber – Entwickler. Sachverständiger. Dozent.

Ich bin Entwickler der REZEN Software für Immobilienbewertung und zudem zertifizierter Sachverständiger (DIN EN ISO/IEC 17024). Die Entwicklung von REZEN erforderte eine intensive Auseinandersetzung mit allen relevanten Richtlinien und Gesetzen, was meine Expertise in der Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken fundamental untermauert hat.

Mein Schwerpunkt liegt in der Erstellung von Verkehrswertgutachten nach § 194 BauGB, in aller Regel zum Nachweis des gemeinen niederen Werts (§ 198 BewG). Tätig bin ich vor allem im kritischen Münchner Markt und habe hier bereits hunderte Gutachten über einen Verkehrswert von mehreren Milliarden Euro verfasst.

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