Der ungeprüfte Einsatz von Modellen der Gutachterausschüsse kann zu massiv fehlerhaften Ergebnissen führen.
Warum unser automatisierter Rechner zum Liegenschaftszinssatz besser ist als das Modell des Gutachterausschusses der Stadt München.
Besonders problematisch wird es dann, wenn zum Beispiel ein Verkehrswertgutachten für den Nachweis des gemeinen niederen Wertes gemäß § 198 BewG erstellt werden soll – und die eine Behörde (das Finanzamt) auf die Einhaltung von Modellen pocht, die die andere Behörde (der Gutachterausschuss) gar nicht oder nur unbrauchbar liefert.
Für diesen häufigen Fall liefern wir Werkzeuge, die mit Verweis auf den § 9 ImmoWertV von Sachverständigen eingesetzt werden können. Damit ein Rechner „unangreifbar“ wird senden wir im Standard der Berechnung einen Vorschlag zu einem sauber ausformulierten, zweiseitigen Textkapitel voraus (Funktion „Autotext“).
Liegenschaftszinssatz-Rechner
Der REZEN-Rechner ist ein rein optionales Werkzeug. Es kann also darauf verzichtet werden. Er orientiert sich am Kapitalmarkt. Die TEGoVA (The European Group of Valuers‘ Associations) stützt unseren Ansatz und geht in seinem „The Blue Book“ sogar ausdrücklich darauf ein. Der TEGoVa gehören u. a. der Bundesverband der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen an oder auch der Immobilienverband Deutschlands IVD. Die Position der TEGoVA führen wir im letzten Absatz mehr aus.
Funktionsweise des Rechners
Der REZEN-Liegenschaftszinssatz-Rechner zieht den zum Wertermittlungsstichtag gültigen Zinssatz der 30-jährigen Bundesanleihe. Wir orientieren uns hier an die BelWertV – liefern jedoch tagesgenau.
Da die Bundesanleihe eine sichere Assetklasse ist erfolgt ein Risikoaufschlag anhand der Nutzungsart der Immobilie. Basierend auf dieser Zwischensumme werden sechs Risikofaktoren zur Marktanpassung angesetzt.
Die Faktoren stehen in Abhängigkeit zur Zwischensumme und sind selbst gewichtet. Im Standard hinterlegt sind die Risikofaktoren „Lage, Marktentwicklung, objektspezifische Marktgängigkeit, Restnutzungsdauer, Investionen und Mietverträge“. Ein manueller Eingriff ist jedoch möglich.


Beweisführung anhand eines Beispiels mit drei Varianten der Berechnung
Bewertet wird ein Mehrfamilienhaus in München in einer guten Lage. Ausdrücklich festgehalten wird, dass es sich um ein Realobjekt handelt. Lediglich der Bodenwert wurde um wenige Euro gerundet. Der Wertermittlungsstichtag ist der 01.01.2025. Die Restnutzungsdauer wurde mit 40 Jahren festgelegt.
Um nachfolgende Berechnung realitätsnah zu gestalten, wurde die (fiktive) Istmiete des Objekts mit der durchschnittlichen Miete gemäß dem Mietspiegel 2023 von München kalkuliert. Dieser Mietspiegel war bei der Datenerhebung und auch zum Stichtag gültig.
Auch wird davon ausgegangen, dass die 96 Objekte, auf die der Gutachterausschuss in seinem Jahresbericht 2023 referenziert, in etwa diese Miete aufweisen sollten. Die Istmiete beträgt hier demnach 14,58 € / m² Wohnfläche.
Demgegenüber stehen aufgrund der Lage auf dem angespannten Mietmarkt deutlich höhere marktüblich erzielbare Erträge gegenüber. Ein Abruf bei der Datenanbieterin 21st Real Estate hat für die Adresse bei einer durchschnittlichen Ausstattung 22,74 € / m² ergeben. Ein WG-Zimmer wird in München mit durchschnittlich 790 € gehandelt.
Für die Berechnungsvarianten 2 und 3 wurden lediglich 21 € / m² Wohnfläche als marktüblich erzielbare Miete verwendet, da der Ansatz den Mietspiegel mit Spanne nach oben plus 10 % insgesamt nicht übersteigen soll. Der vom Gutachterausschuss ermittelte durchschnittliche Ertragsfaktor liegt bei dem ≈ 31-fachen. Hierzu mehr nach der Tabelle in den Detailinformationen.
Ergebnis der Berechnung:

Nur die Variante 3 ist belastbar
Wir gehen im Folgenden auf die einzelnen Berechnungsvarianten ein und verweisen im Anschluss auf das Modell von München und auf die TEGoVA (The European Group of Valuers‘ Associations).
Variante 1
Ermittlung nach Modell des Gutachterausschusses der Stadt München. Bewertet wird mit den Istmieten, welche „modellkonform“ um 15 % erhöht werden (drei Anpassungsperioden = drei Jahre á 5 %).
Die Variante 1 hat jedoch den Fehler, dass sie zwar den Liegenschaftszinssatz des Gutachterausschuss verwendet – aber nicht praxistauglich ist und nicht mehr der ImmoWertV entspricht.
Denn es ist keinesfalls davon auszugehen, dass in einem üblichen Bewertungsfall die Istmiete der Durchschnittsmiete des vorangegangenen Mietspiegels entspricht. Zudem wird in der Betrachtung weder die „Spanne nach oben“ berücksichtigt und auch keine „Mietpreisbremse“.
Im Weiteren ist es ebenso praxisfern für die Ermittlung der marktüblich erzielbaren Erträge die Istmiete mit einer Anpassung von nur 15 % zu versehen. Wäre die Miete deutlich darunter – was häufig der Fall ist – dann würde ein objektiver Investor mit einem längerfristigen Horizont planen.
Das Modell verliert völlig mit Blick auf die ImmoWertV: Der Liegenschaftszinssatz wurde vom Gutachterausschuss auf einer Gesamtnutzungsdauer ermittelt, die nicht der neuen ImmoWertV entspricht – welche ab dem 01.01.2025 jedoch anzuwenden ist (nachdem die Übergangsfrist nicht verlängert wurde). Damit wird die gesamte Berechnung insgesamt unsauber, unpraktikabel und höchst angreifbar.
Variante 2
Ermittlung des Ertragswerts anhand der marktüblich erzielbaren Miete gemäß den Marktdaten (z. B. von 21st Real Estate oder anderen Werkzeugen).
Der Vorteil dieser Variante 2 liegt darin, dass nun die Miete angesetzt wird, die ein unabhängiger Marktteilnehmer dem Objekt langfristig zuschreiben würde. Über die Ermittlung eines Underrents wird in REZEN das Delta zwischen Ist- und Marktmiete auch individuell pro Einheit kapitalisiert und im Anschluss als BOG zusammengefasst. Damit ist die ImmoWertV eingehalten.
Der Fehler in der Variante 2 ist allerdings der Liegenschaftszinssatz des Gutachterausschusses. Wird dieser verwendet erhöht sich der Ertragswert über die Maßen und der ermittelte Ertragswert ist gegenüber den beiden Varianten 1 und 3 zu hoch. Der Faktor auf die Istmiete beträgt fast das 35-fache und ist damit um 12 % höher als in der Herbstanalyse des Gutachterausschusses (31-fach).
Variante 3
Ermittlung des Ertragswerts anhand des (optionalen) REZEN-Rechners. Lediglich diese Variante 3 ist marktgerecht, entspricht der ImmoWertV und liefert ein nachvollziehbares und vor allem ein marktnahes Ergebnis. Der ermittelte Faktor auf den Rohertrag liegt bei 30,5 und damit gegenüber der Herbstanalyse 2024 im Markt.
Hinweis zum Modell des Liegenschaftszinssatzes des Gutachterausschusses der Stadt München
Der Gutachterausschuss hat seinen Jahresbericht 2023 zur Jahresmitte 2024 veröffentlicht. In Tabelle 43 wird ein mittlerer Liegenschaftszinssatz von 2,0 % angegeben. Die Spanne der 96 ausgewerteten Fälle ist sehr weit – zwischen 1,0 % und 3,5 %. In der wenig später veröffentlichten Herbstanalyse 2024 nennt der Gutachterausschuss einen Liegenschaftszinssatz von 2,7 % und einen Ertragsfaktor von ≈ 31. Ein sehr heftiger Anstieg in kurzer Zeit – und ein Hinweis auf den angespannten Markt.
Im Modell des Gutachterausschusses wird der Liegenschaftszinssatz aus dem Kaufpreis basierend auf der Istmiete iterativ ermittelt. Korrigiert wird die Istmiete mit maximal drei Mietanpassungszeiträumen mit Steigerungen im gesetzlich zulässigen Rahmen (insgsamt maximal 15 %).
Auf den Kapitalmarkt geht das Modell von München indes gar nicht ein. Allgemein ist das Modell – wie so viele andere Modelle – nicht öffentlich einsehbar und damit ist es auch nicht nachvollziehbar. Die hohe Spanne wird indes nicht begründet und es wird kein brauchbares Werkzeug bereitgestellt, um den Liegenschaftszinssatz objektspezifisch zu modellieren.
Kapitalmarkt und Liegenschaftszinssatz
Unter Fachleuten ist es unstrittig, dass es einen direkten und wichtigen Zusammenhang zwischen dem Kapitalmarkt und dem Liegenschaftszinssatz gibt. Die TEGoVA (The European Group of Valuers‘ Associations) behandelt hierbei den Zusammenhang zwischen dem Kapitalmarkt und dem Liegenschaftszinssatz in ihren European Valuation Standards (EVS).
Die TEGoVA betont, dass Gutachter die aktuellen und erwarteten Bedingungen am Kapitalmarkt analysieren müssen, um realistische Liegenschaftszinssätze abzuleiten. Dazu gehören die Beobachtung von Zinssätzen, Renditen anderer Anlageklassen und der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Der risikofreie Zinssatz am Kapitalmarkt (z.B. die Rendite von Staatsanleihen) bildet eine Basis für die Renditeerwartung bei Immobilien. Investoren werden für eine risikobehaftete Anlage wie eine Immobilie eine höhere Rendite erwarten als für eine risikofreie Anlage. Steigen die allgemeinen Zinsen am Kapitalmarkt (z.B. für Unternehmensanleihen oder Kredite), so steigt tendenziell auch der Liegenschaftszinssatz. Dies liegt daran, dass Investoren nun höhere Renditen von anderen Anlageformen erhalten können und daher auch für Immobilien eine höhere Rendite fordern, um den Opportunitätskosten entgegenzuwirken.
Der Liegenschaftszinssatz beinhaltet eine Risikoprämie, die das spezifische Risiko der Immobilie (z.B. Lage, Zustand, Mieterbonität) und des Immobilienmarktes insgesamt widerspiegelt. Diese Risikoprämie wird auch durch die allgemeine Risikobereitschaft der Investoren am Kapitalmarkt beeinflusst. In unsicheren Zeiten am Kapitalmarkt steigt oft die Risikoprämie, was zu höheren Liegenschaftszinssätzen führt.